Therapieprinzipien und ihre Hintergründe
Fundamentalprinzip
Die Chemotherapie der Tuberkulose ist immer eine Kombinationstherapie aus verschiedenen Wirkstoffen. Dies ist das fundamentale Prinzip. Die Kombinationstherapie ist erforderlich zur:
- Vermeidung bakterieller Resistenzen
- Vermeidung von Rezidiven
Problem der Resistenzentwicklung
In einer ansonsten sensiblen Population von Mycobacterium tuberculosis befindet sich immer ein Anteil von natürlichen Resistenzträgern. Für die wichtigsten antituberkulösen Erstrangwirkstoffe, Isoniazid und Rifampicin, gilt beispielsweise:
Isoniazid: | Einer von 107 Erregern der infektiösen Population ist Isoniazid-resistent. |
Rifampicin: | Einer von 108 Erregern der infektiösen Population ist Rifampicin-resistent. |
Auch für die zwei anderen Erstrangwirkstoffe, Ethambutol und Pyrazinamid, gibt es anteilig natürliche Resistenzträger innerhalb der infektiösen Population.
Eine Monotherapie oder eine nicht adäquate Therapie mit zu wenigen Wirkstoffen führt zur Selektion von Resistenzträgern. Nach anfänglicher Besserung der Symptomatik kann es dann zu einem Rückfall mit ausschließlich resistenten Erregern kommen.
Problem der Rezidive
Innerhalb der tuberkulösen Läsionen kommen Mykobakterien in verschiedenen biologischen Zuständen und unter unterschiedlichen Umgebungsbedingungen vor.
>>Grafik: Biologische Zustände von Mykobakterien unter verschiedenen Umgebungsbedingungen <<
Daraus resultieren komplexe Anforderungen an die Antibiose, die ein Wirkstoff allein nicht erfüllen kann. Nur über eine Kombinationstherapie kann sichergestellt werden, dass die Mykobakterien an allen Orten ihres Vorkommens hinsichtlich ihrer unterschiedlichen physiologischen Zustände optimal bekämpft werden. Aufgrund der spezifischen Wirksamkeit eignet sich eine 4er-Kombination aus
Rifampicin, Isoniazid, Ethambutol und Pyrazinamid besonders gut für diese komplexe antibiotische Aufgabe:
- Rifampicin (R)
Rifampicin wirkt grundsätzlich sowohl gegen intra- als auch extrazellulär gelegene Keime. Es wirkt am besten im neutralen oder alkalischen extrazellulären Milieu, weniger gut jedoch im sauren intrazellulären Milieu der Makrophagen oder dem käsigen Gewebe. - Isoniazid (H)
Isoniazid wirkt grundsätzlich sowohl gegen intra- als auch extrazellulär gelegene Keime. Am besten ist seine Wirkung jedoch auf proliferierende extrazelluläre Keime. - Pyrazinamid (Z)
Pyrazinamid besitzt im sauren pH-Bereich eine gute bakterizide Wirkung, insbesondere auf langsam wachsende Tuberkuloseerreger und intrazelluläre Mykobakterien, die in Makrophagen persistieren. - Ethambutol (E)
Ethambutol wirkt auf extrazelluläre und wie Pyrazinamid auf intrazelluläre, d. h. in Makrophagen gelegene Mykobakterien. Ethambutol hat die Eigenschaft, sich in Makrophagen stark anzureichern. Die intrazelluläre Konzentration beträgt das 7-Fache der extrazellulären Konzentration.
Exkurs: Entstehung eines Rezidivs
Makrophagen sind Teil der zellulären Immunabwehr. Sie nehmen Bakterien auf und schließen diese in ein sogenanntes Phagosom ein. Phagosomen verschmelzen anschließend mit sogenannten Lysosomen. Dadurch gelangen die Bakterien in Kontakt mit Verdauungsenzymen, wodurch sie abgetötet werden.
Der Erreger der Tuberkulose ist in der Lage innerhalb der Makrophagen als sogenannter Persister zu überleben. Möglich wird dies dadurch, dass Mycobacterium tuberculosis die erforderliche Phagosomenreifung blockiert, die für die Verschmelzung mit den Lysosomen erforderlich ist.
Eine konsequente Bekämpfung der intrazellulär lokalisierten Mykobakterien durch geeignete Wirkstoffe ist erforderlich.
Ansonsten können diese Persister nach Beendigung der Therapie ein Rezidiv verursachen. Geeignete Wirkstoffe sind Ethambutol und Pyrazinamid, da diese im sauren Milieu und auf ruhende Bakterien mit reduziertem Stoffwechsel wirken und sich in Makrophagen anreichern (s. o.).
Primäres Therapieziel
Erstes Ziel der Therapie ist die schnelle Reduktion der Bakterienzahl. Je mehr Bakterien vorhanden sind,
- umso größer ist der Anteil an resistenten Mutanten.
- umso größer ist die Gefahr hämatogener Aussaat.
- umso größer ist die Infektionsgefahr.
Wichtig ist, dass sofort eine Intensivtherapie mit stark wirkenden Mittel begonnen wird.